Der Steppenkiebitz war in Eurasien einst weit verbreitet. Sein Brutgebiet erstreckte sich von der Ukraine im Westen bis nach China im Osten. Heute ist der Steppenkiebitz vom Aussterben bedroht. Der drastische Rückgang ist neben landwirtschaftlichen Veränderungen im 19. Jahrhundert und in der späteren Sowjetzeit auch darauf zurückzuführen, dass seine Heimat, die Steppe, immer mehr zu Getreideanbauflächen umgewandelt wurde.
RÜCKGANG DER POPULATION IM 20. JAHRHUNDERT
Die zunehmend schrumpfenden Brutgebiete verursachten einen drastischen Rückgang der Population. In Nordkasachstan beispielsweise schrumpfte die Population zwischen 1930 und 1960 um 40 Prozent. Daraufhin halbierte sich die Population erneut zwischen 1960 und 1987. In Europa war es sogar noch schlimmer: Hier gehen die Experten von einem Rückgang um 80 Prozent innerhalb von 27 Jahren aus. Heute ist die Art auf ein stetig schrumpfendes Gebiet in Kasachstan beschränkt, wobei eine abgelegene Population in Süd-Zentral-Russland derzeit ums Überleben kämpft.
VOM AUSSTERBEN BEDROHT
SEIT 2004
2004 war die Lage so verschärft, dass BirdLife International den Steppenkiebitz als vom Aussterben bedrohteingestuft hat. Einige gingen davon aus, dass nur noch wenige hundert Brutpaare übrig waren. Warum hat sich bis heute kaum etwas geändert?
Steppenkiebitz mit Tag © Paul Donald
INTERNATIONALER ARTENAKTIONSPLAN
Im Rahmen eines Forschungsprojekts an den Brutplätzen um Korgalzhyn in Zentralkasachstan begannen Experten mit der Ursachenforschung für die Probleme und entwickelten ebenfalls einen internationalen Aktionsplan zum Schutz der Art. Ein Jahr, nachdem die Art auf die höchste Gefährdungsstufe gesetzt wurde, begannen Experten der Association for the Conservation of Biodiversity of Kazakhstan, der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) im Vereinigten Königreich und Forschungsstudenten aus Kasachstan und Deutschland damit, Nester zu orten und potenzielle Notfallmaßnahmen zum Erhalt der Art abzuwägen.
Interessanterweise widerlegten die Studien frühere Befürchtungen, dass Nester von Vieh zertrampelt oder Jungvögel nicht heranwachsen würden. Vielmehr wurde festgestellt, dass ausgewachsene Vögel nicht überlebten. Da nichts auf eine hohe Gefahr in den Brutgebieten hindeutete, musste das Team den Umfang seiner Forschung erweitern und auch Hauptzugsrouten und Winterquartiere untersuchen.
GUTE REISE?
Außerhalb der Brutzeit wurde die Art hauptsächlich in Nordostafrika, dem Nahen Osten und Indien gesichtet, wobei ihre genaue Flugroute nicht bekannt ist. Forschungsarbeiten in Syrien hatten 2007 eine große Überraschung zur Folge, als etwa 2000 Steppenkiebitze entdeckt wurden. Experten freuten sich sehr über diese große Zahl, wobei die Forscher auch feststellten, dass die Tiere der illegalen Jagd zum Opfer fielen. Sie mussten der Sache weiter auf den Grund gehen.
DIE FORSCHUNG UNTERSTÜTZEN
Umfangreiche Forschungsstudien dieser Art können sich über mehrere Jahre erstrecken und bedürfen erheblicher Unterstützung. 2008 wurde SWAROVSKI OPTIK BirdLife Species Champion für den Steppenkiebitz zusammen mit der RSPB und erneuerte sein Engagement drei Jahre später. Zudem stellte SWAROVSKI OPTIK fünf EL Swarovision Ferngläser und zwei ATM Teleskope für die Forschungseinsätze bereit.
DAS ZUGVERHALTEN IM FOKUS
Im Rahmen weiterer Untersuchungen zum Zugverhalten der Steppenkiebitze wurden manche Tiere mit Satellitentags ausgestattet, mit denen sich die Route nachverfolgen ließ. Dies bestätigte, dass die türkisch-syrische Grenze ein wichtiger Zwischenstopp war, wobei einzelne Vögel sogar weiter gen Süden bis in den Sudan flogen.
Mittels der Tags konnten ebenfalls Vögel nachverfolgt werden, die eine östlichere Route einschlugen und an der Grenze zwischen Turkmenistan und Usbekistan Halt machten. Schätzungen zufolge nutzten im Herbst 2015 sage und schreibe 6.000 bis 8.000 Tiere dieses Gebiet als Rastplatz. Es wird angenommen, dass diese Vögel hauptsächlich in Pakistan und Indien überwintern.
SCHUTZ AUF IHRER ZUGROUTE
Die Entdeckung von Zwischenstopps, wie jenen in Syrien und an der Grenze zwischen Turkmenistan und Usbekistan, wo eine Vielzahl an Steppenkiebitzen gesichtet wurde, hat bemerkenswerte Erkenntnisse geliefert und die Zahl der Art in die Höhe schnellen lassen. Die durch das Projekt aufgedeckte Bedrohung durch die illegale Jagd sowie das Schrumpfen der Rastplätze werfen Licht auf eine besorgniserregende Verwundbarkeit der Tiere. Im Rahmen des Projekts arbeiteten die Organisationen mit den Behörden in Turkmenistan und Usbekistan zusammen, um den Schutz des Rastplatzes entlang der Grenze zu gewährleisten, zum Beispiel durch die Schaffung eines Naturschutzgebiets, das mit dem Koytendag State Nature Reserve in Turkmenistan verbunden ist.
VERBESSERUNG DER BRUTPLÄTZE
Jüngste Forschungsarbeiten haben ergeben, dass Steppenkiebitze möglicherweise vermehrt auf Ackerflächen in Zentralkasachstan nisten. Dazu wurden Maßnahmen zum Schutz der Nester ins Leben gerufen, um zu sehen, ob sich so der Bruterfolg verbessern lässt. Darüber hinaus haben die Steppenkiebitze ihre einst genutzten Brutflächen in der Nähe einiger Dörfer aufgegeben. Der Grund ist vermutlich die Veränderungen der Vegetationsstruktur, die den Lebensraum weniger zum Nisten geeignet machen. Gemeinsam mit einheimischen Hirten untersuchen Forscher, ob gezielte Erhaltungsmaßnahmen, wie eine verstärkte Beweidung, den Lebensraum wieder in einen geeigneten Zustand bringen können. Die Ergebnisse hierzu werden in den kommenden Jahren vorliegen.
WISSEN MACHT DEN UNTERSCHIED
Heute ist viel mehr über das Brut- und Zugverhalten der Art bekannt. Glücklicherweise ist ihre missliche Lage nicht so schlimm wie noch 2004 befürchtet. Dennoch scheint der Rückgang der Population weiter anzuhalten, insbesondere an einigen Brut- und Rastplätzen, die langfristig beobachtet werden. Während Maßnahmen ergriffen wurden, um die Brut- und Rastplätze zu schützen, sind die Tiere aufgrund der illegalen Jagd entlang der westlichen Flugroute einer sehr ernsten Bedrohung ausgesetzt. Und auch andere Arten sind davon betroffen. Im Oktober 2021 fand in Jordanien ein internationaler Workshop statt, bei dem eine Roadmap entwickelt wurde, um der illegalen Jagd auf alle Vögel im Nahen Osten einen Riegel vorzuschieben. Mitglieder des Sociable Lapwing Teams sind vor Ort, um die Bedeutung dieser wichtigen Flugroute hervorzuheben.
RETTUNG EINER
LEGENDÄREN ART
Der Steppenkiebitz ist in der Steppe zu Hause. Noch immer ist diese Art gefährdet. Aber mit der Unterstützung von BirdLife Species Champions und anderen Organisationen, gezielten Erhaltungsmaßnahmen zum Schutz wichtiger Brutplätze sowie kontinuierlicher Forschung und Beobachtung stehen die Chancen gut, diese Art vor dem Aussterben zu retten.