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Serene river landscape in northern CanadaSerene river landscape in northern CanadaSerene river landscape in northern Canada

Ein anspruchsvoller Fisch

WILD FLUSS

NATURBELASSENE FLÜSSE SIND DER INBEGRIFF VON UNGEZÄHMTER NATUR. TROTZ DIESER WILDHEIT – ODER VIELMEHR GERADE DESWEGEN – SIND SIEVOLLER LEBEN UND GRUNDLAGE VON UNERSETZLICHEN ÖKOLOGISCHEN PROZESSEN.

Koroc river, Kuururjuaq national park, Nunavik, Quebec, Canada

Canada

The Koroc River


Wie ein grünes Band zieht sich der Koroc River durch den Kuururjuaq-Nationalpark in Nunavik im äußersten Nordosten Québecs. Vegetation kann sich nur im vom Fluss selbst geschaffenen Tal durchsetzen, das sich deutlich von den kargen Bergen der Umgebung abhebt. Es ist eine raue, überwältigende Landschaft, die von Fels und Schnee, Gräsern und Mooren geprägt ist. Lichte Bestände von Fichten, Lärchen und Weißbirken zieren die Niederungen und Berghänge. Wer hier leben will, dem darf die Kälte nichts anhaben, der muss zäh und ausdauernd sein. Das schaffen nur wenige, hochspezialisierte Arten wie Tannen- und Moorschneehuhn oder Polarfuchs. Auch Karibus finden hier im Sommer auf ihren weiten Wanderungen genügend Gräser, Flechten und Moose.

FLÜSSE SIND LEBENSSPENDER

Intakte Flüsse wie der Koroc River sind nicht nur Lebensraum für Tiere und Pflanzen, sondern üben auch für uns Menschen essenzielle Ökosystemfunktionen aus. Zu den Leistungen natürlicher Fließgewässer zählen die Bereitstellung von Wasser, Nahrungsmitteln, Holz und anderen Ressourcen ebenso wie die Regulierung von Klima, Erosion oder Wasserreinigung. Auch soziale und kulturelle Aspekte wie Erholung oder Tourismus gehören dazu. Es ist somit kein Zufall, dass viele der ersten Siedlungen entlang von Flüssen gegründet wurden. Noch heute liegen etliche unserer modernen Großstädte an Fließgewässern, die bedeutende Handelsrouten und Verkehrswege geblieben sind.

Die jahrzehntelangen Aktivitäten zum Hochwasserschutz, zur Energiegewinnung und Förderung der Schifffahrt führten dazu, dass die großen Flüsse in den dicht besiedelten Gebieten Amerikas, Europas und Asiens heute nur mehr wenig mit den wilden Strömen gemein haben, die sie einst waren. Doch noch gibt es echte Wildflüsse. Der Großteil von ihnen befindet sich in entlegenen Gebieten im äußersten Norden. Aber auch weiter südlich, zum Beispiel in Italien, Albanien und Montenegro, finden sich vereinzelt noch Flüsse und Abschnitte, die weitgehend unbeeinträchtigt geblieben sind.

Man steigt nie zweimal in denselben Fluss!

EIN STETER WANDEL

„Man steigt nie zweimal in denselben Fluss“, besagt ein altes Sprichwort. Vom Ursprung bis zur Mündung wandelt sich der Charakter grundlegend. Durchfluss, Temperatur und Nährstoffgehaltnehmen typischerweise zu, Sauerstoffgehalt, Fließgeschwindigkeit und Korngrößen des Flussbetts ab. Das gesamte Ökosystem unterliegt einem steten Wandel, der sich vor allem nach Hochwässern besonders deutlich zeigt. Wo zuvor noch Schotterflächen waren, ist nun Wasser. Wo vorher Bäume standen, findet sich ein Steilufer. Anderswo werden neue Ufer aufgeschüttet und Feinsediment wird in den Auen abgelagert. Dadurch entsteht eine Vielzahl von unterschiedlichen Klein- und Kleinstlebensräumen, die sich durch Tiefe, Fließgeschwindigkeit, Temperatur und Substrat unterscheiden – ein Mosaik aus eng miteinander verflochtenen Biotopen.

Atlantic Salmons in a riverAtlantic Salmons in a river

Der Großteil der Flussorganismen ist auf diese verzahnte Abfolge von Habitaten angewiesen. Sie können starke Bestandseinbußen erfahren oder gar verschwinden, wenn auch nur ein Schlüssellebensraum fehlt oder unzugänglich ist. Besonders die charakteristischen Flussfische wie Forellen und Lachse (Salmonidae) oder auch viele Vertreter der Familie der Karpfenartigen (Cyprinidae) wie Barbe oder Nase benötigen beispielsweise flache, gut durchströmte Schotterflächen zum Laichen, als Jungfische aber ruhigere Uferzonen. Die erwachsenen Tiere besiedeln schnell strömende Abschnitte im Freiwasser oder auf dem Gewässergrund. Tiefe Becken oder Totholzansammlungen dienen als Wintereinstände.

Die verbliebenen Wildflüsse sind von den Entwicklungen der Moderne verschont geblieben. Sie fließen weiterhin kontinuierlich durch die Landschaft, die sie selbst geformt haben, bringen den Regen zurück ins Meer und tragen mit ihm Stück für Stück langsam die Berge ab. Sie für künftige Generationen zu bewahren, ist Pflicht und Herzensaufgabe. Denn vieles können wir von wilden Flüssen lernen. Beständigkeit etwa. Ruhe und Energie im Einklang. Ein Gefühl für ein Miteinander oder auch die Erkenntnis, dass gerade die Vielfalt die Grundlage für das Funktionieren des Ökosystems und dessen Schönheit und Reichtum ist.

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Koroc river, Kuururjuaq national park, Nunavik, Quebec, CanadaEin anspruchsvoller FischDER ATLANTISCHE LACHS Lesezeit: 4 min.

ZUM AUTOR:

David Ramler, PhD arbeitete als Fisch-Ökologe an der
Universität Wien und ist als freiberuflicher Biologe tätig. Seine
letzten Forschungsarbeiten behandelten Restaurationsprojekte in der Donau.